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Walter Hammer und das Archiv des deutschen Widerstands

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Walter Hammer, 1918 (Foto: IfZArchiv, BA-4024)

In der (west)deutschen Nachkriegsgesellschaft ist das Gedenken an den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zunächst nur wenigen eine Herzensangelegenheit. Einer der engagiertesten Streiter für die Würdigung des deutschen Widerstands ist der Publizist, Verleger und Schriftsteller Walter Höstery (genannt Hammer) (1888–1966). 

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Von Walter Hammer in der Emigration (Dänemark) verbreiteter Flugzettel (IfZArchiv ED 106-1-75)

Hammer gehörte der deutschen Jugendbewegung an und hatte sich 1932 selbst dezidiert gegen den Nationalsozialismus positioniert. Nach kurzer Schutzhaft war er 1933 zunächst in die Niederlande, dann nach Dänemark geflohen, von wo aus er sich weiter gegen das NS-Regime engagierte. Im Jahr 1940 wurde er verhaftet, nach Deutschland ausgeliefert und zunächst im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert.  Am 29. Oktober 1942 wird er wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu fünf Jahren Haft verurteilt und bis Kriegsende im Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaftiert. 

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Die jahrelange Haft hinterlässt schwere gesundheitliche Schäden – Walter Hammer im Herbst 1945 (Foto: IfZArchiv, BA-4029)

Nach seiner Befreiung 1945 veranlasst die eigene Widerstands- und Verfolgungserfahrung den gesundheitlich schwer gezeichneten Hammer, sein Leben der Erinnerung an den deutschen Widerstand zu widmen. Er bleibt am Ort, an dem er von den Nationalsozialisten inhaftiert worden war, wohnen und trägt als Direktor des „Forschungsinstituts Brandenburg“ in unermüdlicher Sammlungstätigkeit zahlreiche Akten, Register, Urteile, Briefe, Erinnerungsberichte und Bilder zusammen. Für die damalige Zeit ungewöhnlich ist, wie viele politische, soziale und konfessionelle Schattierungen des Widerstands er dabei berücksichtigt. Als die SED ihn zunehmend dazu drängt, sich auf den kommunistischen Widerstand zu konzentrieren, flieht Hammer im Februar 1950 in die Bundesrepublik. Seine umfangreiche Sammlung muss er in der DDR zurücklassen. Sie ist heute Teil des im Brandenburgischen Landeshauptarchivs verwahrten Bestands 214 Forschungsstelle Zuchthaus Brandenburg (Havel).

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Rundfragen Walter Hammers zum Themenkomplex Plötzensee (IfZArchiv, ED 106-2-275)

Nach seiner Flucht setzt Hammer seine Sammlungstätigkeit in Hamburg fort. Zwischen 1950 und Anfang der 1960er Jahre baut er in seiner winzigen Wohnung eines der umfangreichsten und reichhaltigsten Privatarchive zum deutschen Widerstand auf. NS-Quellen wie Fotokopien von Akten des Volksgerichtshofs sowie Hinrichtungs- und Gefängnislisten ergänzt er durch Informationen, die er durch zahlreiche Rundfragen an ein stetig wachsendes Netz von Personen im In- und Ausland erhält. So erreichen ihn biografische Materialien, Erinnerungsberichte und Fotos von Angehörigen verschiedenster Widerstandsgruppen bzw. von deren Hinterbliebenen.  

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In seiner kleinen Hamburger Wohnung baute Walter Hammer eine der umfangreichsten biographischen Sammlungen zum deutschen Widerstand auf (Foto: IfZArchiv, BA-4039)

Das sogenannte „Archiv Walter Hammer“ zeichnet sich auch im Westen dadurch aus, dass es den Widerstand in seiner ganzen Breite und ideologischen Vielfalt erfasst: neben Unterlagen zum 20. Juli 1944, dem Kreisauer Kreis oder der Weißen Rose dokumentiert die Sammlung auch die Rote Kapelle, den Jugendwiderstand und die Aktivitäten der Zeugen Jehovas. 

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Anfrage von IfZ-Mitarbeiter Helmut Krausnick an Walter Hammer, 1.7.1958 (IfZArchiv, ED 106-2-239)

Hammers differenziertes und gesamtdeutsches Widerstandsbild findet in der deutschen Nachkriegsgesellschaft der 1950er und 1960er Jahre keine breite Rezeption und bleibt politisch unwirksam. Bei Expertinnen und Experten aus Geschichtswissenschaft und Archivwesen findet Hammers Leistung dagegen durchaus Anerkennung. Seine Hamburger Wohnung wird zur regelmäßigen Anlaufstation für Historikerinnen und Historiker, gibt gerne und ausführlich auch schriftlich Auskunft aus seinem Bestand.

Der Bestand im IfZ-Archiv

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Interessenbekundung des IfZ am Archiv Walter Hammer (IfZArchiv, ED 106-2-238)

Sowohl das Bundesarchiv als auch die Friedrich-Ebert-Stiftung bemühen sich bereits in den 1950er Jahren um eine Übernahme der Sammlung. Auch das IfZ, das bereits seit 1950 mit Walter Hammer in Kontakt steht, zeigt großes Interesse an einer Übernahme der Sammlung. Nach Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten entschließt sich Walter Hammer sein Archiv dem IfZ zu vererben. Nach seinem Tod 1966 kommt der Bestand nach München und wird dort detailliert erschlossen. Heute sind die 110 Bände vollständig digitalisiert auf Zeitgeschichte Open, dem Repositorium des IfZ, zugänglich.

Aus dem Archiv

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Walter Hammer, 1935 (Foto: IfZArchiv, BA-4025)

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Walter Hammer war in den 1920er Jahren Vorstandsmitglied des Bunds Republikanischer Freischaren in Hamburg (IfZArchiv, ED 106-1-60)

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Ladung Hammers zur Verhandlung wegen der Vorbereitung zum Hochverrat (IfZArchiv, ED 106-1-76)

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Häftlingskarteikarte zu Walter Hammer aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden (IfZArchiv, ED 106-1-78)

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Aufstellung der von Hammer in Brandenburg angelegten Sammlung zum deutschen Widerstand. Bei seiner Flucht aus der DDR 1950 musste er diese Sammlung zurücklassen (IfZArchiv, ED 106-1-118)

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Glückwünsche von IfZ-Generalsekretär Paul Kluke zu Hammers 70. Geburtstag 1958 (IfZArchiv, ED 106-2-270)

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Anschreiben Hammers zu einer seiner Rundfragen (IfZArchiv, ED 106-2-281)

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Anschreiben Hammers zu einer seiner Rundfragen (IfZArchiv, ED 106-2-281R)

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