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Karl Wolffsohn: Vom Buchdrucker zum Kino-Pionier

 

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Karl Wolffsohn (Foto: IfZArchiv, BA-35855)

Der jüdische Verleger und Film-Unternehmer Karl Wolffsohn (1881−1957) stammt aus einer kleinbürgerlichen Posner Buchdruckerfamilie. 1900 zieht er nach Berlin, wo er zusammen mit zwei seiner Brüder eine Druckerei und Verlagsgesellschaft aufbaut. Die Brüder fallen im Ersten Weltkrieg. Karl Wolffsohn baut ab 1919 das kleine Familienunternehmen allein zu einem mittelständischen Betrieb aus. Die Filmzeitschrift „Lichtbildbühne”, die seit 1910 bei Wolffsohn erscheint, wird auch international wahrgenommen. Der kleine Verlag genießt bald nicht nur in der deutschen Filmbranche, sondern auch international Ansehen.

Varietés

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Die Fratellinis in der Berliner Scala, Juli 1929 (Foto: Bundesarchiv, Bild 102-08151)

In den 1920er und frühen 1930er Jahren engagiert sich Wolffsohn zunehmend auch als Kino-Betreiber. 1919 bzw. 1928 gründet er zusammen mit anderen jüdischen Kaufleuten die Berliner Varietés Scala und Plaza. Weltstars der Unterhaltung treten dort auf: die Clowns Grock und Charlie Rivel sowie das Trio Fratellini, der Jongleur Enrico Rastelli, die Comedian Harmonists.

Kinos

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Die Lichtburg in Essen (Foto: IfZArchiv, BA-35875)

Ab 1929 betreibt Karl Wolffsohn die neu erbauten Lichtburg-Kinos in Essen und Berlin, das Alhambra-Kino in Düsseldorf, das Olympia in Dortmund sowie zwei Lichtspielhäuser in Köln.

Gartenstadt

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Gartenstadt Atlantic in Berlin (Foto: IfZArchiv, BA-35899)

Mit der Gartenstadt Atlantic bietet er außerdem mitten in Berlin Wohnkultur und Lebensqualität zu bezahlbaren Preisen.

„Arisierung“, „Schutzhaft“, Emigration

Show larger version for: Bericht Karl Wolffsohns über die „Arisierung“ seiner Geschäfte (IfZ-Archiv, ED 230/8)

Bericht Karl Wolffsohns über die „Arisierung“ seiner Geschäfte (IfZArchiv, ED 230/8)

Bereits 1933/34 zwingen die Nationalsozialisten den Kinobetreiber, die Essener Lichtburg weit unter Wert an die Universum Film AG (UFA) zu verkaufen. Auch die Varietés Scala und Plaza werden 1934/35 „arisiert”. Wie viele andere Jüdinnen und Juden wird auch die Familie Wolffsohn aus Wirtschaft und Kultur verdrängt, Geschäfte, Immobilien und Vermögenswerte müssen nach und nach an nicht-jüdische Firmen, Privatleute oder den Staat übereignet werden.

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Auswanderungsunterlagen von Karl und Recha Wolffsohn (IfZArchiv, ED 230/213)

Am 15. August 1938 nimmt die Gestapo Karl Wolffsohn in „Schutzhaft”. Er wird im Februar 1939 entlassen, nachdem er in die Enteignung seines verbliebenen geschäftlichen Besitzes – vor allem der Gartenstadt Atlantic und des dazugehörigen Kinos Lichtburg – einwilligt und sich zur Ausreise aus dem Deutschen Reich verpflichtet. Mit einigen Schwierigkeiten gelingt es ihm und seiner Frau Recha im März 1939, unter weitgehender Aufgabe ihres restlichen Vermögens, nach Palästina zu fliehen, wo sich bereits die beiden Söhne aufhalten. 

Kampf um Wiedergutmachung ab 1949

Show larger version for: Titelseite eines Notizbuches, in dem Karl Wolffsohn seine Eindrücke nach der Rückkehr nach Deutschland handschriftlich festhielt (IfZ-Archiv, ED 230-10-15)

Titelseite eines Notizbuches, in dem Karl Wolffsohn seine Eindrücke nach der Rückkehr nach Deutschland handschriftlich festhielt (IfZArchiv, ED 230-10-15)

Heimisch fühlen sich die Wolffsohns in Palästina und im jungen Staat Israel nicht. 1949 kehren Karl und Recha nach West-Berlin zurück, nicht zuletzt, um Entschädigung für das erfahrene Unrecht und die Rückerstattung ihres enteigneten und geraubten Vermögens zu erstreiten. Bereits Ende 1949 reicht Karl Wolffsohn erste Anträge auf Entschädigung für die entzogenen Lichtspielhäuser in Köln und Düsseldorf ein. Weitere Anträge folgen. Die Verfahren sind langwierig und nervenaufreibend. Zu seinen Erfahrungen mit den Behörden notiert Wolffsohn in sein Tagebuch: „Nervenkrieg – Sabotage – Hinziehen! Wer hat Schuld? Alle und niemand! Man will nach außen das Gesicht wahren, nach innen in der Praxis sabotieren und vor allem hinziehen!“

Die einzelnen Wiedergutmachungsangelegenheiten ziehen sich tatsächlich jahrelang hin; Karl Wolffsohn stirbt 1957 vor Abschluss der meisten Restitutionsverfahren. 

Der Nachlass im IfZ-Archiv
 

Im Jahr 2001 vertraut der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn den Nachlass seines Großvaters dem IfZ-Archiv an. Sowohl die Verfolgung und Enteignungen während der NS-Zeit als auch die teils frustrierenden Bemühungen um Wiedergutmachung und Entschädigung ab 1949 lassen sich in dem umfangreichen Bestand detailliert nachvollziehen. Aber auch jüdisches Leben in Deutschland ist in dem Bestand, der über 200 Bände umfasst, dokumentiert. Insbesondere dieser Aspekt wird ergänzt durch den umfangreichen Vorlass von Michael Wolffsohn, der ebenfalls im IfZ-Archiv verwahrt wird. 

Aus dem Archiv

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Karl und Recha Wolffsohn, 1914 (Foto: IfZArchiv, BA-35854)

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Recha Wolffsohn (IfZArchiv, Foto: ED 230-98)

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Grundriss der Gartenstadt Atlantic (Foto: IfZArchiv, ED 230-190-46)

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Gartenstadt Atlantic, Ansicht Zingsterstraße (Foto: IfZArchiv, BA-35895)

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Eingang der Essener Lichtburg (Foto: IfZArchiv, BA-35880)

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Ruine der Lichtburg in Essen (Foto: IfZArchiv, BA-35871)

Mehr zum Thema

  • Fabian Riedel, Und abends in die Scala! Karl Wolffsohn und der Varietékonzern SCALA und PLAZA 1919 bis 1961. Aufstieg, „Arisierung“, „Wiedergutmachung“ (Potsdamer Jüdische Studien, Bd. 4), Berlin 2019. 
  • Christoph Wilmer (Hrsg.), Karl Wolffsohn und die Lichtburg. Die Geschichte einer Arisierung, Essen 2006.