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Anti-Terrorismus-Politik in Westeuropa

Wie weit kann der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat in seiner Antwort auf terroristische Bedrohungen gehen, ohne die staatliche und gesellschaftliche Grundordnung, die er verteidigen will, in Frage zu stellen? Damit beschäftigte sich ab 2008 das Forschungsprojekt “Demokratischer Staat und terroristische Herausforderung: Die Anti-Terrorismus-Politik der 1970er und 1980er Jahre in Westeuropa” in historischer Perspektive.

Show larger version for: Cover des Buches "Terrorismusbekämpfung in Westeuropa", das eine Polizistin mit einem Fahndungsplakat in der Hand zeigt

Cover des von Johannes Hürter herausgegebenen Sammelbands „Terrorismusbekämpfung in Westeuropa”

Das Phänomen des neuen Terrorismus bewegte nach dem 11. September 2001 nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern konfrontierte auch die Wissenschaft mit Fragen nach der jüngeren Zeitgeschichte von Terrorismus und seiner Bekämpfung. Zentral war (und ist) dabei die Frage, wie weit der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat in seiner legislativen, exekutiven und judikativen Antwort auf terroristische Bedrohungen gehen kann, ohne die staatliche und gesellschaftliche Grundordnung, die er verteidigen will, in Frage zu stellen. Ein wichtiges historisches Exemplum, der staatliche Umgang mit terroristischer Gewalt von den 1970er bis 1990er Jahren in Westeuropa, war von der Geschichtswissenschaft allerdings bis in die 2000er Jahre kaum erforscht worden.

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Die Tagung „Staat gegen Terrorismus“ im Jahr 2012 (Foto: IfZ-Bildersammlung)

Hier setzte das vergleichend angelegte, von Johannes Hürter geleitete Forschungsprojekt „Demokratischer Staat und terroristische Herausforderung“ an, das zwischen 2008 und 2016 erstmals umfassend aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive einen zentralen Bereich staatlichen Handelns in westlichen Demokratien in den Blick nahm. Dabei lag der Schwerpunkt der Projektforschung auf der Bekämpfung des nationalen und transnationalen Linksterrorismus in den 1970er und frühen 1980er Jahren, insbesondere in der Bundesrepublik, Italien und Frankreich. Die Analyse der staatlichen Politik wurde jeweils in die grundlegenden politischen, ökonomischen und soziokulturellen Wandlungsprozesse dieser Jahre eingeordnet.

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Die wissenschaftliche Analyse des Terrorismus geht weiter: Vom 5. bis zum 7. September 2023 fand am IfZ die erste Arbeitstagung der Kommission zur Aufarbeitung des Attentats auf die israelische Olympia-Mannschaft 1972 statt – zum Programm gehörte ein gemeinsamer Besuch des Münchner Olympiageländes (Foto: Astrid Schmidhuber)

Das Projekt konnte in sechs Monografien und zwei Tagungsbänden aufzeigen, dass sich auf dem Konfliktfeld Staat/Terrorismus bereits in den 1970er und 1980er Jahren national und transnational eine neue Politik der inneren Sicherheit etablierte, die den Kern der liberalen westlichen Verfassungen berührte und den demokratischen Staat veränderte. Das betraf Staatlichkeit in vielfältiger Hinsicht: die Staatsgewalt, die Gesetzgebung, die Rechtssysteme, die staatliche Performanz, die Narrative und Diskurse über Sicherheit, die transnationale Verflechtung von Terrorismusbekämpfung und Weiteres mehr. So formierten sich in Westeuropa bereits in den 1970er Jahren Sicherheitsregime, die der neue Terrorismus nach den Anschlägen von 9/11 entgegen verbreiteter Meinungen keineswegs unvorbereitet traf.