Deindustrialisierung in westlichen Gesellschaften seit den 1970er Jahren
Von asiatischen Produzenten bis zu französischer Rap-Musik: Das 2022 begonnene Projekt „Confronting Decline – Herausforderungen der Deindustrialisierung in westlichen Gesellschaften seit den 1970er Jahren“ (CONDE) fragt in zeithistorischer Perspektive nach den überregionalen, globalen, kulturellen und geschlechtsspezifischen Wirkungen und Bedeutungen von Deindustrialisierung.
Mit der Deindustralisierung ging der Verlust industrieller Arbeitsplätze einher. Im Berliner Arbeitsamt berät eine Sachbearbeiterin eine arbeitssuchende Frau (Foto: Klaus Franke, Bundesarchiv, Bild 183-1990-0606-021).
Seit den 1970er Jahren bildete die Deindustrialisierung einen internationalen Prozess, der die westlichen Gesellschaften, deren industrieökonomische Basis und ihre soziostrukturelle Zusammensetzung fundamental veränderte. Ausgehend von den USA traf der Rückgang der Industrieproduktion, ihrer Anlagen und der industriellen Arbeitsplätze vor allem die klassischen Industriezweige und -regionen der ersten Industrialisierung, aber auch die Herstellung elektronischer Konsumgüter.
Ein Beispiel für Deindustrialisierung: die Völklinger Hütte im Saarland – 1873 als Eisenwerk errichtet, 1986 stillgelegt, 1994 als erstes Industriedenkmal zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben (Foto: Rainer Lippert, Public domain, Wikimedia Commons)
Bislang dominierte die regionalgeschichtliche Forschung das Feld, denn die konkrete Erfahrung der Deindustrialisierung war ortsgebunden. Ihre Ursachen waren jedoch global und wirkten scheinbar abstrakt. Das CONDE-Gesamtprojekt in einem vom IfZ aufgebauten transnationalen und interdisziplinären, im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs „Kooperative Exzellenz“ geförderten Kooperationsnetzwerk führt diese beiden Stränge zusammen und leistet damit einen wichtigen Beitrag, um die Ambivalenzen und Ungleichzeitigkeiten der Epoche „nach dem Boom“ herauszuarbeiten.
September 1990: Belegschaftsmitglieder der Zeiss-Werke in Jena demonstrieren gegen das drohende Aus des Betriebs (Foto: Jan Peter Kasper, Bundesarchiv Bild 183-1990-0906-029)
Dabei wird über die klassische Geschichte von Fabrikschließungen und die Erfahrung des Niedergangs („decline“) hinausgegangen, denn die häufig erzählte Verlustgeschichte bildet, global betrachtet, nur einen kleinen Teilausschnitt des Transformationsprozesses ab. Am IfZ entstehen in diesem Rahmen Studien über den Zusammenhang von Deindustrialisierung und Konsumgesellschaft (Christian Marx), Geschlechteridentitäten (Helena Schwinghammer) und der Politisierung der Musikindustrie (Paroma Ghose), weitere Teilprojekte sind bei Partnern in Bonn und Luxemburg angesiedelt.
- Teilprojekt von Christian Marx (IfZ): Deindustrialisierung und Konsumgesellschaft. Produzenten, Handel und Konsumkultur
- Teilprojekt von Paroma Ghose (IfZ): Ein politischer Sound: K-Pop, französischer Rap und die postkoloniale Irritation
- Teilprojekt von Helena Schwinghammer (IfZ): Deindustrialisierung und Geschlecht. Industriearbeit, Familienstrukturen und Geschlechteridentitäten
- Teilprojekt von Jonas Fey (DIE): Deindustrialization and Adult Education: Politics, Learning Opportunities and Participation
- Teilprojekt von Nicolas Arendt (C2DH): The Transformation of ARBED 1973–2001. A European business and labour history (TransARB)
- Teilprojekt von Zoé Konsbruck (C2DH): Reconversion: From Manufacturing to Knowledge. The Transformation of a Steel Plant into a University